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Compliance Management - Lippenbekenntnis oder fester Bestandteil der Unternehmenskultur?

Veröffentlicht am 14.05.2017
  • Compliance kann zum Erfolgsfaktor für das Unternehmen werden

  • Die Compliance-Kultur wird von der Unternehmensleitung geprägt

  • Die Verantwortung für Compliance haben alle Mitarbeiter

Die Aussage des Vorstandsvorsitzenden war kaum misszuverstehen: “Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und aufgrund eines einzelnen Falles versuchen ein System aufzubauen, das den Spielraum und die Handlungsfähigkeit der Vertriebsmitarbeiter einschränkt!”
Es gibt vermutlich kaum eine einfachere Möglichkeit die Erfolgschancen eines Compliance Management Systems von Beginn an zu limitieren und dem verantwortlichen Compliance Manager seine Aufgabe zu erschweren.

Was war passiert? Ein Mitarbeiter eines Geschäftsbereiches des Unternehmens hatte seinen Genehmigungsrahmen überschritten und das Unternehmen gegenüber einem vielversprechenden Neukunden zur Lieferung verpflichtet. Das Material wurde vereinbarungsgemäß gegen eine erste Teilzahlung des Kunden geliefert. In der Folge blieben alle Versuche, den ausstehenden Betrag vom Kunden zu vereinnahmen, erfolglos. Nachdem die zunächst behaupteten Qualitätsmängel und Mengendifferenzen als Begründung ausgeschlossen werden konnten, räumte der Kunde Liquiditätsengpässe ein und verhandelte Teilzahlung in kleineren Tranchen. Eine Berichterstattung an den zuständigen Vorgesetzten oder das Controlling blieben aus. Letztlich musste man feststellen, dass der Kunde nicht nur insolvent war, sondern gegen ihn wiederholt wegen verschiedener Compliance-Verstöße behördlich ermittelt wurde. Der Geschäftsbereichsleiter erfuhr nur durch Zufall von dem Vorgang und reagierte nach kurzer Recherche mit drastischen Mitteln: der Mitarbeiter musste das Unternehmen umgehend verlassen.

Compliance Management als Feigenblatt

Der Schaden war trotz größter Bemühungen nicht mehr zu beheben. Der erst kürzlich im Unternehmen neu installierte Compliance Bereich wurde beauftragt den Fall zu untersuchen, um die Ursachen zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen die geeignet sind, ähnliche Fälle in Zukunft zu verhindern. Die richtigen Fragen waren schnell gestellt:

  • Werden regelmäßig, z.B. vom Direktor des Geschäftsbereiches oder dessen Controller Berichte angefordert, die alle Aufträge und deren Wert auflisten und so mögliche genehmigungspflichtige Vorgänge sichtbar werden lassen?

  • Bietet das eingesetzte Auftragserfassungssystem eine automatische Überwachung der Auftrags-Limits?

  • Ist für den Kunden eine Geschäftspartnerprüfung vorgenommen und ein Limit bei der Kreditversicherung beantragt worden?

  • Wenn nein, wie konnte der Auftrag im System ohne ein hinterlegtes Kreditlimit verarbeitet werden?

  • Warum ist der Vorgang in der Liste der ausstehenden Forderungen nicht aufgefallen?

Fragen, die weniger auf die handelnde Person abzielen, da hierzu bereits Fakten geschaffen worden waren, sondern sich auf die Kontrollmechanismen beziehen, deren offensichtliche Mangelhaftigkeit dafür gesorgt hat, dass das Fehlverhalten lange unentdeckt blieb.

Es kann nicht überraschen, wenn der durch diese Fragen selbst in die Kritik geratene Geschäftsbereichsleiter ungehalten reagiert und sich selbstverständlich auch gegenüber dem Vorstand zu verteidigen versucht. Die zu Beginn beschriebene Reaktion des Vorstandsvorsitzenden, die die Analyse der Situation und gegebenenfalls Implementierung geeigneter interner Kontrollmechanismen direkt in Frage stellt, ist hingegen sehr bedenklich. Die Ernsthaftigkeit der Compliance Bemühungen darf in diesem Beispiel bezweifelt werden.

Die Compliance Kultur im Unternehmen hat entscheidende Bedeutung

Die Compliance Fachwelt ist sich einig: der sogenannte ‘Tone-from-the-top’, also die von der Unternehmensspitze ausgehende, feste Verankerung des Compliance-Gedanken in der Unternehmenskultur, ist für den Erfolg eines Compliance Management Systems von entscheidender Bedeutung. Im vorstehenden, fiktiven Beispiel ist dieser Ansatz gescheitert. In der Mehrzahl der Unternehmen, die sich derzeit mit Compliance beschäftigen, scheint die Situation jedoch anders zu sein. Die Nachfrage nach Ausbildungsangeboten, Beratung, relevanten IT-Lösungen und letztlich auch nach qualifizierten Fachkräften steigt vernehmlich. Diese Form der Auseinandersetzung scheint weniger ein Lippenbekenntnis als vielmehr der seriöse Versuch zu sein, das Thema Compliance Management fest in den Unternehmen und ihrer Kultur zu verankern.

Compliance Management als Erfolgsfaktor

Der CEO des Unternehmens, für das ich selbst als Compliance Manager tätig bin, beschreibt es so: “Unser Compliance Management System ist unser Rahmenwerk. Es leitet unsere Mitarbeiter und bildet den Korridor, in dem sie sich frei entfalten und sicher bewegen können. Compliance unterstützt das Geschäft!”

Er verbindet so Compliance Management mit dem, was uns ausmacht und verankert es auf diese Weise nicht nur fest in unserer Unternehmenskultur, sondern macht es auch zu einem wesentlichen Faktor für nachhaltigen Erfolg. Gleichzeitig vermeidet er ein weit verbreitetes Missverständnis: Compliance bezieht sich nicht nur auf externe Anforderungen wie die Verhinderung von Geldwäsche oder Vorteilsnahme. Es bezieht das interne Regelwerk, das den Rahmen für die Entscheidungen des Tagesgeschäfts festlegt, mit ein. Genehmigungsregelungen, interne Richtlinien und Entscheidungsrahmen finden in alltäglichen Prozessen Anwendung.

Compliance befreit sich dadurch auch von seinem exotischen Image und hat nicht mehr nur mit Panama-Papieren, Verbindungen zur Drogenmafia in Kolumbien oder gefälschten Messprotokollen zu tun. Vielmehr wird Compliance Management von den Mitarbeitern als zentrales Element der Unternehmenskultur und damit auch Teil ihrer eigenen, täglichen Abläufe und Verantwortungen wahrgenommen.  

Die Wirksamkeit eines Compliance Management Systems hängt letztlich aber wesentlich von der Unterstützung und Vorbildfunktion der Geschäftsleitung ab. In unserem Unternehmen ist das der Fall, aber das Thema Compliance ist auch noch neu und die Euphorie groß. Insbesondere in kritischen Situationen und unter Erfolgsdruck wird sich zeigen, wie stark die Compliance-Kultur im Unternehmen tatsächlich ist.

 

Uwe Schoumakers
Mai 2017

 

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